Erzählungen und Gedichte

Bauerngebet


 

Herrgott über dem Dreibornerland!

 

Sieh Deine Bauern hienieden!

 

Wie man uns nahm den Pflug aus der Hand,
Und sonst ist doch überall Frieden.

Herrgott über dem Dreibornerland!
Panzer zerfahr'n uns die Felder,
Als schwelte noch immer des Krieges Brand.
Warum gehn die nicht in die Wälder?

Herrgot über dem Dreibornerland!
Nachts müssen wir ernten und schaffen,
-ein panzergehetzter Bauernstand-,
Unsere Kinder können nicht schlafen.
Herrgott über dem Dreibornerland!

Auch wenn wir sonntags beten,
Nach harter Woche Dir zugewandt,
Rasseln die Panzerketten.
Herrgott über dem Dreibornernland!
Schlimmer als Panzergranaten
Ist oft Papier aus der bösen Hand
Machtlüsterner Bürokraten.

Herrgott über dem Dreibornerland!
Sieh Deine Bauern hienieden!
Gib uns doch wieder den Pflug in die Hand
Herrgott, gib auch uns Frieden!

(Dr. Jacob Wilhelm Flosdorff, 1962/66)


 

 

Ulla


Ende 1939 kam eines Tages „eine Neue“ in unsere Klasse. Sie hatte blaue Augen, blonde Haare und machte einen freundlichen Eindruck.
Da meine Klassenkameradin die neben mir saß, seit längerem krank war, bekam sie durch Zufall den Platz neben mir.
„Ich heiße Ulla“ sagte sie und gab mir die Hand. Nach der Schule stellte sich heraus, dass wir, bis auf ein kleines Stück,
fast denselben Heimweg hatten. So kam es das Ulla und ich uns bald angefreundet hatten. Weil Ullas kleiner Bruder für
viel Radau sorgte, machten wir öfter zusammen die Schularbeiten bei uns zu Hause. Manchmal begleitete ich sie dann gegen
Abend ein Stück des Weges nach Hause.
Die Zeiten waren turbulent.
Der 2.Weltkrieg hatte begonnen.
Man fragte sich was die Zukunft wohl bringen würde.
Es war schon richtig kalt draußen, als ich eines Abends neben ihr ging. Sie war den ganzen Nachmittag irgendwie bedrückt
gewesen und als ich sie jetzt fragte, was sie denn hätte, fing sie plötzlich an zu weinen. „Ulla was ist los?“ fragte ich beunruhigt.
„Ich muss dir was sagen, genauer gesagt, ich soll dir was sagen!“ „Mein Vater sagte Gestern, dass er Jude sei!“
Dann erzählte sie mir, dass sie in Kürze nach Portugal ausreisen würden. Der Vater hoffe, dass ihm dieses gelingen würde.
Er meinte unter den gegebenen Verhältnissen wäre es gut wenn wir unsere Freundschaft beendeten, es sei für meinen
Vater als einen deutschen Beamten, sehr riskant wenn seine Tochter mit einer Jüdin befreundet wäre.
Wir sollten uns am Besten nicht mehr sehen.
Es war schrecklich!
Gut, dass es dunkel war, denn nun weinten wir beide. Nachdem ich zu Hause alles erzählt hatte, waren meine Eltern sehr betroffen.
„Alle Achtung vor dem Mann!“
Sagte mein Vater zu mir „Lasst euch nichts anmerken und seit weiterhin befreundet wie bisher“.
Ulla kam noch ein paar Mal zur Schule. Dann blieb ihr Platz leer – sie sei verzogen, hieß es. Doch ich wusste ja, was los war
und wünschte ihr in Gedanken viel Glück für die Zukunft!
Mir kamen zum ersten Mal Zweifel, ob hier bei uns in Deutschland alles in Ordnung sei!

 

 

Anne Retzer



Der Wassergeist
Zwischen Dreiborn und Berescheid,
Am Weiher,
War es einmal nicht geheuer!
Umhüllt von Nebelschwaden, meist,
hockte dort der Wassergeist!
Wenn er in den Weiher tauchte,
höhnte er und fauchte!
Dreiborn und Berescheid
sollen in Ewigkeit,
so lange ich hab das Sagen!
Nie und nimmer sich vertragen!
Wenn er diese Drohung grollte!
Vom Eulenberg das Echo halte!
So, das Fuchs und Dachs erschreckt,
sich in ihrem Bau versteckt!
Groß war des bösen Geistes Wut!
Unter einen Hut!
Sollten selbst die Frommen,
der beiden Orte niemals kommen!
Zumal die sprachlichen Barrieren,
nicht zu überwinden wären!
Doch nach dem Krieg, das ist bekannt,
hat man auch in Berescheid Schnaps gebrannt!
Dreiborner, bekamen davon Kunde!
Trotz Verbot! Kam die Runde,
in düsterer Nacht, prima parat!
"Prost! Prost! Kamerad!"
Hieß es! Bis zu Geisterstunde!
Dann schwankte man nach Haus!
Am Weiher! Kalter Graus!
Wurden die Dreiborner Jungen
vom Wassergeist angesprungen!
Nach alt bekannter Manier,
verdroschen die den Geist sehr!
Als sie ihm richtig Saures gaben,
soll er laut gemeckert haben!
In der Zeitung war damals zu lesen,
es sei ein Ziegenbock gewesen!
Niemand weiß, was am Weiher geschah!
Doch der Spuk ist nicht mehr da!
Die beiden Nachbardörfer! Das ist gut!
Sind endlich unter einem Hut!
Am Weiher!
Startet heute manche Feier!
Es geht dort mit rechten Dingen zu!
Der böse Geist! Hat die ewige Ruh'!
Alfred Wolter



Es ist Zeit
Um Schießplatz-Dreiborn
Geht ein Streit
Mit Vater Staat, es ist soweit:
Sie wollen uns die Presse schmälen,
Das ferne Land zur Hälfte stehlen
Drum macht die schwarzen Fahnen bereit!
Es ist Zeit!
Die, so wir wählten, sind nicht
Schlecht
Im Kampf für der Heimat Recht.
Die stoßen oben auf Zement,
Da ist irgendwo die Vernunft
Zu End.
Drum macht die schwarzen Fahnen bereit!
Es ist Zeit!
Wir haben Staates-Versprechen
Nicht gezählt.
Wir haben immer nur gut gewählt.
Uns blieb die blanke Hoffnung bloß.
Nun geht die Enteignung richtig los.
Drum macht die schwarzen Fahnen bereit!
Es ist Zeit!
Dass man die Bergleut zur Hilfe
Hole,
Von Rhein und Ruhr, vom Kampf
Um die Kohle?
Auch drohen mit Staates-
Verdrossenheit
Wir sind auch an der Eifler Rur soweit!
Wir machen die schwarzen Fahnen bereit.
Es ist Zeit!
(Verfasser und verantwortlich Kreis Bauernschaft Schleiden im 

Rheinischen Landwirtschaftlichen Verband Dr. Jacob Wilhelm Flosdorff Dez. 1966)